Wehrhaft für die Freiheit – 1848 – 1849

Wehrhaft für die Freiheit” 
die Bürgerwehr Gengenbachs während der “Badischen Revolution”

basierend auf dem gleichnamigen Buch von Franz Xaver Vollmer, mit dessen
freundlicher Genehmigung zur Veröffentlichung der zusammenfassenden Auszüge.


Bereits am Anfang dieses Kapitels muss erwähnt werden, dass die Bürgergarde Gengenbach keine spektakuläre Rolle während der badischen Revolution spielte. Das Geschehen, in und um Gengenbach, spiegelt sich mit dem vieler anderer Gemeinden und Ortschaften. Man war zwar fasziniert vom „revolutionären“ Gedanken, aber Führungspersönlichkeiten wie in den Hochburgen der Revolution waren keine vorhanden und auch das nötige Geld um die ersehnte „Freiheit“ wenn nötig mit „Waffen“ zu erkämpfen war nicht vorhanden.

Buchcover "Wehrhaft für die Freiheit" - Franz Xaver Vollmer

Die Meinung in der Bevölkerung, über die Bürgergarde, während den Revolutionswirren, war recht unterschiedlich. Den Vorstellungen fortschrittlicher Politiker von einer demokratischen allgemeinen Volksbewaffnung vermochte „das Bürgermilitär“ nicht zu entsprechen. Man vermutete verfilzte Hierarchien der Führungsmannschaft und traute den Bürgermilitärsoldaten mit Ihren Tschakkos mehr Parade – als echten Gefechtswert zu.

Nicht die Reihenfolge nach Dienstalter, Berücksichtigung der Dienstdauer und Beziehungen sollten mehr bei Beförderungen entscheiden. Ein neues Wehrsystem nach dem Vorbild des Schweizer Miliz sollte alle Wehrpflichtigen ohne Unterschied erfassen, und die Anführer sollten in freier Wahl durch die Mannschaften ermittelt werden.

Am 10. März 1848 befasste sich der Gemeinderat mit dem Problem der „Volksbewaffnung“, als er von Amtswegen damit beauftragt wurde den Bedarf an Gewehren innerhalb von 3 Tagen zu melden. Der Rat erklärte „Es sei allgemeiner Volkswunsch, dass eine allgemeine Volksbewaffnung eingeführt werde.“ Bis diese ins Leben trat, sollte in Gengenbach neben dem bestehenden Bürgermilitär noch eine Bürgerwache errichtet werden. Zu diesem Zweck wurde um 100 Gewehre gebeten. Dies sollte auf Kosten des Staates geschehen. Der Bitte, des Kommandos des Bürgermilitärs dieses aufzurüsten wollte der Gemeinderat nicht nachkommen. Man war mehr der „demokratischen Volksbewaffnung“ zugetan. Da die Regierung dem Wunsche nicht nachkam die Kosten der „Volksbewaffnung“ zu übernehmen beschloss man am 17. März 1848 dass die 100 Gewehre angeschafft werden. Wohlhabende Bürger sollten diese selbst bezahlen, bei Unvermögenden werde die Gemeinde die Kosten tragen. Bürgermeister Erhard und Gemeinderat Baumann begaben sich hierzu am 24. März 1848 nach Offenburg um über private Bezugsquellen Gewehre zu beschaffen. Sollte dies nicht möglich sein, sollten von der Regierung Gewehre gekauft werden.

In der Nacht vom 25. auf den 26. März erreichte Gengenbach die Meldung „die Franzosen hätten den Rhein überschritten“ und würden sich sengend und plündernd nähern. Sofort wurde das Bürgermilitär alarmiert. Während dieses sich mehr oder weniger heldenmutig zum Aufmarsch und Kampf rüstete, trugen Boten die Alarmnachricht weiter in das Kinzigtal hinauf.

Die Meldung brachte ganz Süddeutschland bis nach Bayern in Aufregung. Ob diese historische „Ente“ vom „Franzosenlärm“ von politischer Ebene gestreut wurde hierüber kann man nur spekulieren. Vielleicht sollte hiermit die Notwendigkeit der Besetzung durch Regierungstruppen unterstrichen werden, um den Drang nach Freiheit und den Gedanken der Revolution im Keim ersticken zu lassen. 
Was aber hatte sich in dem angeblich bedrohten Gengenbach zugetragen und wie reagierte die Bevölkerung ?
Den Erzählungen von Carl Isenmann zufolge zeigten wirklich einige der Zeitgenossen Anzeichen von Angst und Panik:

Bürgergarde Gengenbach - Szene aus Traum von der Freiheit

„Der Mehlkremp“ (Mehlhändler) versteckte seinen neuen Hochzeitsrock und die besten Kleider und Kostbarkeiten in leeren Mehlsäcken, die er alle zusammenwarf, denn darin würden die Franzosen bestimmt nichts suchen.
„Der Oberdorfer Ölmüller“ vergrub seine Speckseiten im Mist, denn etwas Delikates würde wohl nicht in einem Misthaufen zu finden sein. Der Apotheker hielt sich zur Flucht bereit. In vier Hosen und Röcken, mit Zylinderhut, dessen Inneres eine Pelzmütze barg,  präsentierte er sich dem Bürgerwehrchargierten Johann Mayer. Dieser zog in dieser Stunde mit dem Bürgermilitär Richtung Offenburg auf den Ohlsbacher Buckel, von wo aus man nicht nur den Kinzigtalausgang, sondern dahinter die ganze Rheinebene in Richtung Straßburg überblicken konnte. Nirgends waren Anzeichen von Kämpfen und Brandschatzung zu sehen. Man überwachte die Gegend geraume Zeit, doch am friedlichen Bild der Gegend änderte sich nichts. Enttäuscht, aber wohl eher erleichtert beschloß man wieder heimzumarschieren.

Bürgergarde Gengenbach - Zeichnung aus dem Buch "Wehrhaft für die Freiheit"

Nach dieser Episode beschloß man die „Volksbewaffnung“ – schnell  voranzutreiben. Doch die Bilanz die am 25. April 1848 der Gemeinderat zog war ernüchternd:
Die mittlerweile auf 200 Gewehre erhöhte Bestellung ist nicht ver wirklicht worden, weil nirgends mehr Gewehre vorhanden waren. Dagegen war der Beschluß 2 Zentner Pulver und das nötige Blei hierfür angeschafft worden. Auch dem damals von der  Bürgerversammlung im Gengenbacher Salmen geäußerten Wunsch >>dass von der Hand und bis man die nötigen Gewehre besitzen werde, Sensen angefertigt werden sollen,<< war man nachgekommen, aber die Begeisterung für die Sensen hatte inzwischen merklich nachgelassen.
Einmal waren sie geradezu zum Sinnbild von demokratischen Freischaren geworden, zum zweiten hatte sich bei den Treffen während des Aprilaufstandes die Unterlegenheit der Sensenträger gegenüber den mit modernen Gewehren ausgerüsteten Truppen allzudeutlich erwiesen.

Folglich meinte man nun im Gemeinderat: „Man solle zwar die schon fertigen Sensen auf Kosten der Gemeinde übernehmen, aber neue sollen keine mehr gemacht werden, weil doch für die ganze Wehrmannschaft Gewehre angeschafft würden.“
So wurde am 25. April beschlossen, „die Kosten für die bereits angeschafft Munition und die fertigen Sensen auf die Stadtkasse zu übernehmen, zu- gleich aber „200 Gewehre bei der Regierung zu bestellen“, was dann gleich am 26. April 1848 geschah.

Zwischenzeitlich hatten am 24. April Regierungstruppen den Kampf um Freiburg siegreich beendet und der erste Revolutionsversuch war gescheitert.

Bürgergarde Gengenbach - Szene aus Traum von der Freiheit

Da die Gengenbacher Bürgerwehr während des Heckerzuges sich offiziell nichts hatte zuschulden kommen lassen und das von der Badischen Regierung erlassene Bürgerwehrgesetz vom März nicht außer Kraft gesetzt worden war, wurde trotz dem gescheiterten Revolutionsversuch in Freiburg, die Bewaffnungsfrage in Gengenbach weiterverfolgt.

Da nicht sicher war ob die Regierung die bestellten Gewehre liefern konnte, beschloss man die vorhandenen Gewehre des Bürgermilitärs zu verwenden und weiter Feuerschlossgewehre die den Bedürfnissen nicht mehr gerecht werden zu modernisieren in dem man Sie „pistonierte“.

Am 30. Juni 1848 kündigte die badische Regierung das Eintreffen der in Belgien bestellten Gewehre an. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Gengenbacher Stadtkasse das geforderte Geld aber nicht zur Verfügung. Da die Regierung aber die Gewehrabgabe von veralterten Steinschlossgewehren, die aufgrund Ihrer Allwetteruntauglichkeit nur verminderten Gefechtswert besaßen, nicht duldete, wurde es bis Anfang Mai 1849 still um das Thema „Volksbewaffnung“.

Zwischenzeitlich war Bürgermeister Erhard suspendiert, aber am 21. März 1849 wieder neu eingesetzt worden. Auch wurden Regierungstruppen in Gengenbach einquartiert.
Zu diesem Zeitpunkt bestand zumindest noch gemäß vorliegenden Rechnungen der Musikzug des damaligen „Bürger-Corps“, denn es wurden „Trommelschlegel“ und „Klarinetten“ beschafft. Auch wurde weiterhin von jedem „neuen Bürger“ das Miltiärgeld in Höhe von 12 Gulden, für den Unterhalt der Armaturen und Instrumente des Bürgermilitärs erhoben und der „Profos“ (Verwalter in Militärangelegenheiten) Scherzinger erhielt noch im März 1849 für das Jahr 1848 ein Gehalt von 15 Gulden.

Das Bürgermilitär hatte seit dem „Franzosenlärm“ keine ernstzunehmende Tätigkeiten und erst im März 1849 wurde der Wunsch wieder laut dass das Bürgermilitär wieder wirksam werden soll. Von welcher Seite dieser Wunsch kam ist unbekannt. Standen reaktionäre Kräfte dahinter, die das alte „Bürger-Corps“ als Gegengewicht gegen die „demokratische Volksbewaffnung wieder aufbauen wollten ? Oder versuchten Anhänger der „Volksbewaffnung“ auf diesem scheinbar unverdächtigen Wege die Bewaffnungsfrage wieder auf die Tagesordnung zu bringen ?

Da Franz Abel der Major des Corps Anfang Mai 1849 Vorsitzender des neugegründeten demokratischen Volksvereins wird erscheint die zweite Möglichkeit als wahrscheinlicher.
So kann man sagen, dass sich die Führung des Bürgermilitärs hinter dem „Bürgerwehrgesetz von 1848“ verschanzte und selbst die „breite demokratische Volksbewaffnung“ vorzog um Ihre Machtstellung auszuweiten. Der Antrag auf „Errichtung einer Bürgerwehr und Bewaffnung dieser wurde aber wie auch ein Jahr zuvor abgelehnt, diesmal jedoch aus Kostengründen. Wieder geschah nichts zum Thema „Volksbewaffnung“, sehr zum Verdruß der Demokraten, die an einer „Zweiten Revolution“ arbeiteten. In Offenburg war die Bürgerwehr längst errichtet worden.

Bürgergarde Gengenbach - Eröffnung beim Revolutionsfest 1998

Zum Thema demokratischer Volksverein ist zu erwähnen, dass sich die Gengenbacher Demokraten hierzu sehr ruhig verhielten und erst recht spät reagierten. Während zahlreiche Ortsvereine in den umliegenden Gemeinden gemeinsam an dem Ziel arbeiteten eine schnelle Macht- und Gewaltübernahme an den notwendigen Stellen beim „entscheidenden Schlag“ zu gewährleisten wurde der Gengenbacher Volksverein erst im Mai 1849 gegründet. Die Gengenbacher Demokratiebewegung reagierte also wieder erst, nachdem sich die Krise landesweit bereits zuspitzte und man am 6. Mai 1849 ein Flugblatt aus Mannheim erhalten hatte in dem zur Bewaffnung aller Bürger und Gemeinden aufgerufen wurde, als Reaktion auf die Truppenaufmärsche und Barrikadenkämpfe in Dresden und im preußischen Rheinland.

Die Führung der Stadt Gengenbach rüstete sich – angestoßen vom Mannheimer Vorbild und vom einheimischen Volksverein – also in aller Eile am Vorabend der Mairevolution für eine bewaffnete Auseinandersetzung. Zur „Volksbewaffnung“ wurden für das 1. Aufgebot 4500 Gulden veranschlagt.

Um möglichst rasch in den Besitz von kriegstauglichen Gewehren zu kommen wurden 2 Beauftragte am 9. Mai nach St. Blasien geschickt die jedoch am 11. Mai wieder mit leeren Händen zurückkamen. Sie mussten feststellen das Sie in der „Waffensache“ inkompetent waren.

Am 14 Mai wurde erneut ein Mitglied des Gemeinderates nach St. Blasien geschickt um 120 Gewehre anzukaufen und nach Gengenbach zu bringen. Die in Gengenbach eingetroffenen Gewehre wurden nummeriert und mit einem Fisch dem städtischen Wappen gekennzeichnet. Zur Ausrüstung wurde überlegt ob Tornister oder Zwerchsäcke angeschafft werden, ob die Koppel des bisher bestehenden Bürgermilitärs umgearbeitet werden sollen usw.
 
Am 26. Mai wurden die Gewehre an die einzelnen Wehrmänner des ersten Aufgebotes ausgegeben – leihweise gegen Unterschrift, die Sie zur Erhaltung im guten Stand und zur richtigen Ablieferung, wann es verlangt wird verpflichtete. Doch es wurden nicht alle Gewehre übernommen. Einige Bürger machten von Ihrem Recht der Wehrpflichtsbefreiung Gebrauch, soweit diesem Gesuch stattgegebn wurde.
Durch Zahlung von 50 Gulden kaufte sich beispielweise der Gengenbacher „Adlerwirt“ frei da er in seinem Wirtshaus unabkömmlich sei. Einige Gesuche wurden abgelehnt und so begaben sich auch Bürger auf die Flucht ins Ausland, aus Angst vor Bestrafungen. Auch Fahnenträger und Tambour übernahmen kein Gewehr. So bestand das erste Aufgebot aus 115 Mann.

Anfang Mai 1849 kam es zu tätlichen Ausschreitungen gegen missliebige Vertreter der noch großherzoglichen Obrigkeit bei der zwar die Taten vom Gengenbacher Gemeinderat nicht gutgeheissen wurden, die Täter jedoch mit milden Strafen davonkamen. Man schlug sich also mehr oder weniger auf die Seite der agierenden Revoluzzer. Da der Großherzog sich bereits auf der Flucht befand, die Residenzstadt Karlsruhe sich bereits in den Händen der Revolutionsregierung befand, hatten die geschädigten Beamten schlechte Aussichten Ihre Schadensforderungen geltend zu machen.  

Dieser Beschluß sah wie folgt aus:
In Erwägung, dass nach dem Bürgerwehrgesetz in jeder Gemeinde eine Bürgerwehr eingeführt werden soll, in ferner Erwägung, dass das Vaterland in Gefahr ist, in weiterer Erwägung, dass eine Volksbewaffnung in gegenwärtiger Zeit notwendig erscheint, und vom Ausschuß des Volksvereins der Antrag auf Errichtung der Bürgerwehr gestellt wird; – in Erwägung aber, dass nicht jeder Bürgerwehrpflichtige sein Gewehr gleich bar bezahlen kann, In Erwägung alles dessen wird beschlossen:

  1. Es sei die Bürgerwehr nach den Bestimmungen des Bürgerwehrgesetzes schleunigst ins Leben zu rufen.
  2. Zu Ihrer Bewaffnung seien vorläufig 200Pistolngewehre, 4 Wochen später weitere 100 in der Gewehrfabrik St. Blasien anzukaufen.


Diese Entwicklung nutzte Franz Abel der Vorstand des neuen Volksvereines und gleichzeitiger Major des Bürger-Corps erneut um das Bürgerwehrgesetz durchzusetzen und die Beschaffung von Gewehren voranzutreiben. Diesmal konnte Abel sich durchsetzen und die Errichtung einer Bürgerwehr wurde am 08. Mai 1849 beschlossen.   
Am 12. und 13. Mai 1849 fand in Offenburg der Landeskongreß des Landesausschusses der Volksvereine statt sowie eine Landesvolksversammlung, zu der das ganze badische Volk aufgerufen wurde. Am 12. Mai zogen also alle  Abgesandten der Volksvereine nach Offenburg und am 13. Mai marschierten revolutionäre Truppen vom Bodensee, dem Baarkreis und aus dem Schwarzwald durch Gengenbach. Mit roten oder schwarz-rot-goldenen Bändern und frischem Grün geschmückt „Hecker-Hoch“ rufend und Revolutionslieder singend, ging es Richtung Offenburg. Auch die Gengenbacher wurden von dieser Stimmung angesteckt.

Bürgergarde Gengenbach - Wahlaufruf
Bürgergarde Gengenbach - Szene aus Traum von der Freiheit

Zurückgekehrt aus Offenburg wurde aufgrund des Ergebnisses noch am selben Abend die Gengenbacher Bevölkerung durch öffentliches Ausschellen zu einer Versammlung eingeladen.

Bürgermeister Erhard informierte die Gengenbacher Bürger, dass das Vaterland in Gefahr sei und dass deßhalb das bereits organisierte erste Aufgebot der Bürgerwehr am anderen Tage in der Frühe in das Unterland ausmarschieren müsse. Aus der Gemeindekasse wurden hierzu 200 Gulden zur Verfügung gestellt.

Am 14. Mai 1849 wurde Rechtsanwalt Hofer als erster Civilkommissar eingesetzt. Die Tätigkeiten der Civilkommissare in Gengenbach beschränkten sich auf das Vorantreiben der Volksbewaffnung; Rekrutieren und Organisieren der Mannschaften sowie die Requisition von Waffen und Lebensmitteln. Spärlich mit Gewehren versehen und ohne langes Exercieren wollte Hofer das erste Aufgebot aus Gengenbach ausrücken lassen. Bei diesem Ausmarsch gab es auch einige die erst jetzt den Ernst der Lage erkannten und „vom kämpfen“ nichts mehr wissen wollten. Unter Androhung von Strafen konnten diese zum Mitzuge gezwungen werden.

So begab man sich mit dem Zug Richtung Karlsruhe. Bewaffnet wollte man den Einzug des Landesausschusses in die Hauptstadt unterstützen. Der Großherzog war bereits auf der Flucht. Da die Residenzstadt jedoch von Wehrmannschaften überfüllt war und keine Verwendung für die Gengenbacher Truppe bestand, wollte Bürgermeister Erhard sein erstes Aufgebot schleunigst zurückholen. Das schriftliche Gesuch an den neuen Kriegsminister, mit dem Hinweis das erste Aufgebot im Bedarsfalle unverzüglich zu schicken und die Organisation eines zweiten Aufgebotes zu beschleunigen, wurde angenommen.

Aufgrund des desolaten Zustandes im Bezug auf die Bewaffnung, brachten die Gengenbacher Truppen aus dem Karlsruher Zeughaus 100 Steinschloß-Gewehre sowie 2000 Kugelpatronen und 200 Feuersteine mit, mit denen man die Übungen aufnehmen wollte. Ziel war es eine ernstzunehmende militärische Einheit aufzubauen.

Zum Amt des Civilkommissars im Amtsbezirk Gengenbach ist anzumerken, dass die Auffassung über die Ausführung dieses Amtes recht unterschiedlich waren.
Berichten zufolge wurde das Amt aufgrund Uneinigkeiten der Revolutionären untereinander und auch einer gewissen Vorsicht, nur recht kurz und oberflächlich von den eingesetzten Personen verrichtet. Angst vor einer ungewissen Zukunft -evtl. dem Scheitern der Revolution und den damit verbundenen Folgen sollen die Hauptgründe sein. Die nachrevolutionären „Verteidigungsschriften“ und Aufzeichnungen von Rechtsanwalt Hofer und Ratschreiber Stölker sowie Notar Frick die dieses Amt verrichteten, belegen dies. Anderen Unterlagen und Aussagen von Zeitzeugen zufolge sollen zumindest Hofer und Frick Ihr Amt schärfstens betraut haben und Androhungen von standrechtlicher Behandlung und Exekutionen ausgesprochen haben. Hierbei verteidigten sich Hofer und Frick jedoch damit unter Zwang gehandelt zu haben, also der Angst selbst bestraft zu werden.

Bürgergarde Gengenbach - Exerzieren beim Revolutionsfest 1998


Nach Rückkehr aus Karlsruhe wurde der Formal- und Waffendienst aufgenommen, der ein intensives Exerzieren beinhaltete.
Am 21. Mai schickte diesbezüglich das Kriegsministerium aus Karlsruhe den Fourier Schmidt vom 1. Infanterieregiment der,als „Top-Exerziermeister“galt.

Zum Erlernen des Militär-Exerzitiums wurde Thadä Haas und Hiernoymus Liebert nach Offenburg geschickt. 

Täglich wurde zweimal exerziert. Da tagsüber die Handwerker und Bauern Ihrem Broterwerb nachgehen mussten wurden diese Dienste morgens von fünf bis sieben Uhr und abends von sechs bis neun Uhr verrichtet und fand „auf dem Grün“ (Kinzigvorland) statt. Am 28. Mai wurde dann die Führung des 1. Aufgebotes gewählt die unvorbereitet und improvisiert von Statten ging.

Im Bezug auf ein „Musik-Korps“ ist anzumerken, dass dem Wunsche des musikbesessenen Lehrers Schwan ein solches zu errichten aus Kostengründen nicht nachgekommen werden konnte. Die Volksbewaffnung stand im Vordergrund.


Anfang Juni begann man dann mit dem Scharfschießen. Im Ziegelwald wurden hierzu zwei Schießscheiben errichtet. Auch wurden, für das 1. Aufgebot, die ersten Blusen an die Wehrmänner ausgegeben sowie Patronentaschen samt Gürtel und Schloß. Nachgereicht wurden Kugel- und Schraubenzieher. Zum gleichen Zeitpunkt wurde auch das zweite Aufgebot aufgestellt und Waffen ausgegeben. Da das erste Aufgebot der umliegenden Gemeinden nicht komplett mit Gewehren versorgt werden konnte, wurden die Gewehre vom Civilkommissar Frick zurückverlangt.
Hierbei gab es auch einen größeren Disput zwischen dem Gemeinderat und Frick. Der Gengenbacher Gemeinderat hatte auswärtigen Wehrmännern des 1. Aufgebotes die Gewehre abgenommen und diese nach Hause geschickt. Es machte sich also ein Kommunalismus breit. Frick erhielt die Gewehre zurück, nachdem er ein Ultimatum unter Androhung von Repressalien wegen Widersetzlichkeit gestellt hatte.

Bürgergarde Gengenbach - Zeichnung aus dem Buch "Wehrhaft für die Freiheit"

Auch die Frage der Kopfbedeckung beschäftigte den Gemeinderat und man bestellte auf eigene Faust sog. „Heckerhüte“ die auch von den umliegenden Gemeinden eingesetzt werden sollten. Dies entsprach nicht ganz den Vorstellungen des Oberbefehlhabers der Volkswehren Johann Phillip Becker. Dieser wollte das schweizerische Wachstuchkäppi als einheitliche Kopfbedeckung einführen.

Am 20. Juni erging der Befehl vom Oberkommando der Volkswehren, dass die ersten Aufgebote auszurücken hätten. Da die Ausrüstung jedoch noch unvollständig war und auch dass Improvisieren an Alternativen recht aufwendig war gingen noch einige Tage ins Land bis das erste Aufgebot ausrücken konnte.

Frick rückte am 25. Juni 1849 definitiv mit dem ersten Aufgebot nach Offenburg aus. Auch der Eilends, zur Unterstützung der Truppenmoral aufgestellte Musikzug, der ursprünglich aus Kostengründen abgelehnt wurde, zog mit aus. Von einem Auszug kann jedoch nicht gesprochen werden, denn mit Pferdefuhrwerken transportierten Gastwirte, Bauern usw. die in „den Krieg„ ziehenden Wehrmänner nach Offenburg. Aufgrund der Informationen die aus Richtung Karlsruhe kamen beschränkte man sich in Offenburg erst mal aufs Abwarten.

Zwischenzeitlich hatte sich die militärische Lage im Lande bereits dramatisch zugespitzt. Die preußischen Interventionstruppen, die vom geflohenen Großherzog von Baden zu Hilfe gerufen worden waren, setzten unter der Führung des Prinzen Wilhelm von Preußen, der 1871 deutscher Kaiser wurde, zum Vormarsch nach Süden an. Die Situation war so dramatisch, dass Waffen aus Gengenbach und anderen Ortschaften abgezogen wurden und Lebensmittel ohne Einschränkungen an die „Front“ zu schicken waren, d. h. wenn noch Irgendwo Vorräte gefunden worden wären, hätten die Besitzer mit schwersten Konsequenzen rechnen müssen.

Zwischenzeitlich war auch Bürgermeister Erhard mehr oder weniger aus seinem Amt entlassen worden, da er nicht mehr hinter „der Revolution“, so wie Sie sich entwickelt hatte, stand.

Bürgergarde Gengenbach - Szene aus "Traum von der Freiheit"

Am gleichen Tag, als das erste Gengenbacher Aufgebot gegen Offenburg gezogen war, hatten die preußischen Truppen Karlsruhe eingenommen. Da Offenburg total überfüllt war von flüchtenden Truppen, zog man die Gengenbacher Wehrmannschaft nach Griesheim und dann nach Lahr ab. Ob dies aus strategischen Gründen zur Deckung der flüchtenden „Revolutionsregierung“ die ebenfalls in Richtung Freiburg unterwegs war geschah oder aber einfach um die überfüllte Stadt zu erleichtern sind reine Vermutungen.
Aufgeschreckt von der Kunde das die Preußen sich immer schneller nähern versuchten die Gengenbacher Wehrmänner schnellstmöglich nach Gengenbach zu gelangen. Einige entledigten sich schon hierbei Ihrer Ausrüstung und Uniformgegenständen.

Am 30. Juni hatte Gengenbach 480 Mann die sich auf dem Rückzug befanden zu verpflegen und hierbei merkte man jetzt überdeutlich das „die Revolution„ verloren war. Während noch einige Verbände Richtung Schwarzwald zogen und mit dem Gedanken spielten den Kampf bis zum bitteren Ende in einem Gebirgskrieg fortzuführen, hatten sich die Gengenbacher auf einen Art „Selbstschutz der Stadt“ umgestellt. Rekrutierungsversuche des Oberbefehlshabers der Volkswehren verliefen erfolglos und wurden aufgrund der Zeitnot auch nicht geahndet.
Am 01. und 02. Juli übernahmen 30 Mann des 1. Aufgebotes die Nachwache da man Plünderungen und Übergriffe der flüchtenden „Freischärler“ befürchtete. Zu dieser Zeit befanden sich bereits einige Kameraden in Kriegsgefangenschaft in den Kasematten von Rastatt. Sie hatten sich freiwillig bei den Freischaren eingegliedert, nachdem Sie dem Abwarten überdrüssig waren und wurden mit in die „Festung Rastatt“ eingeschlossen. Andere wiederum hatten erfolgreich die Flucht in die Schweiz angetreten.


Bürgergarde Gengenbach - Szene aus "Traum von der Freiheit"
Bürgergarde Gengenbach - Revolutionsgruppen auf dem Rückmarsch

Am 03. Juli 1849 marschierte das 1. Bataillon des 17. preußischen Infanterieregiments in Gengenbach ein. Zwei Tage lang waren 721 Mann zu verpflegen. Sofort nach Einmarsch hatten sich „alle sich hier aufhaltenden badischen Soldaten im Gasthaus zum Adler“ zu stellen, mit sämtlichen Waffen, Pulver und Ausrüstungsgegenstände. Ferner waren die „Hüte“ und „Blusen“ im Kaufhaus abzuliefern, unter Androhung von Hausdurchsuchungen und Anwendung des Standrechts bei Nichtbeachtung. Auch das Tragen der „Heckerhüte“ war strengstens verboten, da diese als „Symbol der Revolution“ galten. Am 15. August fand eine erneute „Ablieferaktion“ statt bei dem die letzten Privatwaffen abzugeben waren.

Besatzungsänderungen prägten in den nächsten Wochen und Monaten das Bild in Gengenbach. Noch am 22. November 1850 waren preußische Truppen in Gengenbach stationiert.

Was war mit den in Rastatt als Kriegsgefangene festgehaltenen Bürgerwehrsoldaten aus Gengenbach geschehen ?

Am 17. August 1849 stellte der nachrevolutionäre Gemeinderat einen Antrag auf Freilassung der Gefangenen. Zur Entlastung wurde vorgebracht, dass die Soldaten unter den gegebenen Umständen keine ander Möglichkeite gehabt hätten als den Befehlen von Seiten des Revolutionskommandos zu folgen. Ob dem Gesuch stattgegeben wurde geht aus den Unterlagen leider nicht hervor.

Auch wird alle Schuld zur Beteiligung an einer bewaffneten Revolution von Seiten der Stadt Gengenbach auf die drei Civilkommissare abgewälzt. Diese konnten jedoch nicht zur Rechenschaft herangezogen werden, da Sie in die Schweiz geflüchtet waren. Der ehem. Bürgermeister Erhard musste sozusagen als „Sündenbock für alle“ für einige Zeit
ins Gefängnis.

Nach der Revolution war die Stadt maßlos verschuldet. Es standen noch alte Rechnungen aus die der Revolution zuzuordnen sind wie Kauf der Gewehre; Ankauf von Heckerhüten usw. Neue Forderungen die mit der Verpflegung und Versorgung der Besatzungstruppen zusammenhingen kamen hinzu. Es vergingen viele Jahre bis die „Gemeindekasse“ sich von„der Badischen Revolution“ erholt hatte.

Erst im Jahre 1857 erhielten die Besitzer Ihre Waffen nach Vorlage eines Nachweises und einer Beschreibung der Waffen wieder zurück.