August Glatz
Wiedergründer
Die Wiedergründung im Jahr 1958
„Erhält Gengenbach wieder eine Bürgerwehr“, „Grüner Rock und weiße Hose“ – so oder ähnlich lauteten die Überschriften der hiesigen Tageszeitungen, mit denen Anfang des Jahres 1958 „der Kinzig Bote“ oder die „Offenburger Zeitung“ (heute das „Offenburger Tageblatt“) auf die Aktivitäten zur Wiedergründung einer Bürgerwehr in Gengenbach aufmerksam machten.
Nach einem langen Dornröschen-Schlaf sollte dank Schneidemeister August Glatz, (Stadtrat-Mitglied und Bürgermeister-Stellvertreter) die historische Bürgerwehr wieder ins Leben gerufen werden. Vielen Anfeindungen und Rückschlägen zum Trotz ging August Glatz seinen Weg.
Als anerkannter Historiker der reichsstädtischen Gengenbacher Geschichte war er derjenige der dieses Projekt verwirklichen konnte.
Der Gedanke lebte schon lange in ihm. Doch vor dem 2. Weltkrieg standen die Zeichen für eine „Bürgerwehr“ nicht günstig, da das NS-Regime derartige Vereinigungen nicht duldete. Bei Beginn der NS-Herrschaft wurden sogar historische Uniformteile wie Uniformröcke, Tschakkos u. a. vor den Stadttoren öffentlich verbrannt.
August Glatz konnte unbemerkt vor dieser Aktion den Original-Tschakko des Kommandanten C. Lauterwald aus dem Jahre 1832 sowie weitere Gegenstände retten und in Sicherheit bringen, so dass diese nicht gefunden wurden und auch den Krieg überstanden.
Nach dem Krieg hatte man verständlicherweise auch in Gengenbach von Uniformen und Waffen vorerst genug.
August Glatz wartete also bis sich das Leben wieder normalisierte und seine Gedanken – die Gründung einer Bürgerwehr als „Pflege von Kulturgut“ – auch so verstanden und akzeptiert wurden.
Das moderne Zeitalter hatte bereits begonnen, er wollte jedoch auch an die Vergangenheit erinnern.
Kommandant C. Lauterwald
1957 – 1 Auftritt August Glatz und Alt-Gengenbacherinnen
1957 bereits stellte August Glatz beim Bürgerwehrtreffen in Zell am Harmersbach in Begleitung von 2 „Alt-Gengenbacherinnen“ die zukünftige Uniform der „Bürgergarde Gengenbach “ vor. Hierzu trug er noch wie das obige Bild zeigt den Original-Tschakko des Kommandanten Lauterwald von 1832. Dies dürfte mitunter einer der einzigen Auftritt gewesen sein, bei dem dieses wertvolle Requisit offiziell getragen wurde. (Der Original-Tschakko kann im Museum“ im Kinzigtorturm besichtigt werden.)
Am 12. Januar 1958 lud August Glatz zu einer Gründungs-Versammlung ein, bei der er alle „Freunde der historischen Bürgerwehr“ als Anwesende begrüssen konnte. In seinen Ausführungen die einen geschichtlichen Abriß über die historische Vergangenheit der Bürgerwehr Gengenbachs beinhaltete, gab er auch Ziele und Auftrittsmöglichkeiten vor, wie den „Schwörtag“, „Tag der Heimat“, Fronleichnamsprozession und weitere ausgewählte Festlichkeiten die für die Stadt interessant sind. Auch die „Uniformbeschreibung“ wurde bekanntgegeben, die er anhand von historischen Aufzeichnungen und dem Gemälde von C. Lauterwald rekonstruiert hatte. Auch wurde in der Versammlung beschlossen, dass die Bürgerwehr „keinen militärischen Charakter“ haben werde und kein Exerzierdienst stattfinden werde.
Bereits in dieser Gründungsversammlung konnten 31 Anmeldungen verzeichnet werden, wobei 9 Personen Ihren Antrag wieder zurückzogen. Im Februar wurde bereits ein beratender Ausschuß gebildet dem August Glatz, Adolf Lohmüller sowie vier weitere Kameraden angehörten. Nach Durchführung von Spendenaktionen, Kontaktaufnahme mit den Bürgerwehren Waldkirch, Zell am Harmersbach, Bad Peterstal und dem Landeskommandaten Fritz Riederer, wurde am 15.05.1958 die Anschaffung von Uniformen für die angemeldeten 22 Mann beschlossen.
Die rasche Uniformierung und Beschaffung von Ausrüstungsstücken war neben einer Reihe von Spenden nur dadurch ermöglicht worden, da eine Anzahl von Kameraden ein zinsfreies Darlehen zur Verfügung gestellt haben. August Glatz erklärte sich hierzu bereit, die Berechnung für die Anfertigung der Uniformen zu stunden bis die Vereinskasse das entsprechende Guthaben aufweist. Für den restlichen Fehlbetrag der trotz Spenden und Zuwendungen noch bestand, überließ die Stadt Gengenbach, nach einem Stadtratbeschluß, ein zinsfreies Darlehen, dass vorerst auf ein Jahr befristet war.
Auf Vermittlung des Landeskommandaten Riederer hat die Bürgerwehr Ettlingen 20 Schweizer Gewehre, Modell 89 in kameradschaftlicher Weise leihweise zur Verfügung gestellt, so dass eine Neubeschaffung und die damit verbundene finanzielle Belastung nicht notwendig wurde. Desweiteren vermittelte Riederer der Bürgewehr 3 Offiziersdegen aus dem Rastatter Armee-Museum, die von Oberst Blankenhorn, Rastatt, kostenlos zur Verfügung gestellt wurden.
1 Tag der Heimat
Noch im selben Jahr gelang es, dank August Glatz, der manchmal bis tief in die Nacht an den Uniformen arbeitete, dass die Bürgerwehr das erste mal am „Tag der Heimat“ auftreten konnte. Pünktlich um 11 Uhr kam sie, vier Reiter voraus, begleitet von Marschmusik der Gengenbacher Stadtkapelle, durch das Obertor auf den Marktplatz. Die Reaktionen im Publikum waren kurz und bündig gesagt – Begeisterung.
1 Tag der Heimat – Vor dem Rathaus
Bürgermeister Schrempp würdigte die Leistung von August Glatz und seinen Bürgerwehrkameraden die diesen Auftritt in so kurzer Zeit ermöglicht hatten, in seiner Festrede. Auch vom Erlös des Festplakettenverkaufes sollte der Bürgerwehr ein Teil für die weiteren Anschaffungen zugute kommen.
Einem Zeitungsbericht zufolge war auch schon die Gruppe der „Alt-Gengenbacherinnen“ in die weiteren Planungen des Vereinsaufbaues integriert. Doch auch hierbei blieb es nicht nur bei der Planung wie Bilder aus dem Jahr 1958 belegen.
Eine Gruppe von drei Frauen ging der Bürgerwehr voraus.
3 Alt-Gengenbacherinnen
Weitere Auftrittstermine in diesem ersten Jahr waren das „Peter- u. Pauls-Fest in Bretten“ sowie ein „Freundschaftstreffen in Ettlingen“. Bei der Kommandantentagung des Landesverbandes Badischer und hessischer Bürgerwehren und Milizen wurde beschlossen, dass die nächste Kommandantentagung im August 1959 in Gengenbach stattfinden werde
Auch die Aufarbeitung der alten Bürgerwehrfahne von 1830 wurde in Angriff genommen.
Alte Fahne der Bürgergarde
In der Jahreshauptversammlung die im Dezember 1958 stattfand, wurde die endgültige Satzung verabschiedet, die neben den üblichen Satzungspunkten auch die Uniformbeschreibung enthielt und festlegt welche Ausrüstungsgegenstände Eigentum des Vereins sind und welche vom Gardisten zu stellen sind. Die Begriffe „Garde“ und „Gardist“ traten hierbei zum ersten mal wieder in Erscheinung. Angeregt wurde die Namensgebung von Bürgermeister Schrempp, der auf die Inschrift der alten Bürgergardefahne von 1830 hinwies und deren historische Bedeutung hervorhob. Der Vorschlag wurde von allen begrüsst und so erfolgte der Eintrag ins Vereinsregister mit der Namensgebung „Bürgergarde Gengenbach e.V.“ Als Kommandant wurde August Glatz auf 5 Jahre gewählt.
Sein stellvertretender Kommandant und Zugführer des Schützenzuges wurde Adolf Lohmüller. Weiterhin wurde Max Bürkle zum Fähnrich und Franz Doll zum Hauptfeldwebel gewählt. Als Beisitzer für den Reiterzug sollte Hubert Roth, für den Fanfarenzug Hubert Boden und Willi Ficht für den Schützenzug die Interessen Ihrer Zugkameraden vertreten.
August Glatz hielt noch eine Vorschau auf 1959, welches mit dem ersten Auftritt am „Schwörtag“ (4. Januar 1959) beginnen sollte und mit der „Kommandantentagung „ die in Gengenbach stattfinden werde seinen Höhepunkt finden sollte.
Bürgermeister Schrempp richtete neben seinen Grußworten einen bis heute richtungsweisenden Hinweis an die Bürgergarde Gengenbach – „Macht euch rar“.
Er wollte hiermit zum Ausdruck bringen, dass die Bürgergarde die Anzahl Ihrer Auftritte begrenzen und gezielt auswählen soll. Nur dann findet Sie die Beachtung in der Öffentlichkeit und stellt eine Besonderheit dar. Trete die Bürgergarde zu oft oder bei nicht gebührenden Anlässen auf würde Sie Ihren Stellenwert verlieren. Den Abschluss dieser Veranstaltung beschloss der Fanfarenzug, der zwischenzeitlich auch schon leistungsfähig aufgebaut war.
Wie man sieht hatte man im Jahre 1958 beachtenswertes geleistet, was alles in allem (Uniformbeschaffung, Finanzierung, Mitgliederwerbung, usw.) als „einzigartige Leistung“ in der Vereinswelt Gengenbachs bezeichnet werden kann.
1959
Schwörtag 1959
Am 4. Januar 1959 nahm die „Bürgergarde Gengenbach e.V.“ zum ersten mal am „Schwörtag“ teil wo Sie das Rahmenprogramm mitgestaltete. Die Bedeutung des „Schwörtages“ hat einen historischen Hintergrund, der schon im Mittelalter seinen Ursprung findet. Die Jungbürger Gengenbachs erhalten Ihren Bürgerbrief mit dem Sie gleichzeitig als „Volljähriger Bürger“ in das Gemeindeleben Gengenbachs aufgenommen werden. Ihre Rechte und Pflichten werden hierbei zum Ausdruck gebracht. Dieser Brauch wird bis heute wenn auch in abgewandelter Form gepflegt.
Auch die mittlerweile entstandene Tanzgruppe, bestehend aus einigen Alt-Gengenbacherinnen und Gardisten führte erstmals höfische Tänze auf.
Die wiedergegründete Tanzgruppe
Bei der Eröffnung des Rastatter-Armeemuseums, dass gleichzeitig das Landestreffen der Bürgerwehren und Milizen Baden/Hessen darstellen sollte nahm auch die Gengenbacher Bürgergarde teil.
Für die Kommandantentagung die neben dem „Tag der Heimat“ das nächste Großereignis werden sollte in 1959 rührte die Bürgerwehr kräftig die Werbetrommel für die Neuaufnahme weitere Mitglieder, den eine Fahnengruppe und ein Fanfarenzug sollte das Gesamtbild der Wehr erweitern. Hierfür konnten einige Neumitglieder vor allem junge Kameraden gewonnen werden, so dass innerhalb kürzester Zeit der Mitgliederstand auf 42 Personen hochschnellte.
Fronleichnam 1959
Auch die Fronleichnamsprozession wurde durch die Bürgergarde Gengenbach bereichert.
Bürgermeister Schrempp konnte am „Tag der Heimat“ dass erste mal die Front der Bürgergarde unter den Klängen des „Präsentiermarsches“ der Garde abschreiten.
Beim Plakettenverkauf sammelten die Gardisten schon damals für den „Kinzigtorturm“ ohne dass diese Kameraden zu dem Zeitpunkt wussten, dass Ihre nachfolgende Generation einmal dieses Bauwerk als „verteidigungswehrgeschichtliches Museum“ einrichten werde. Der Erlös des Plakettenverkaufes kam immer der heimatlichen Denkmal- und Brauchtumspflege zugute.
Man brachte auch Kameraden der Bürgergarde unter die Haube.
Hochzeit eines Kameraden
Bei der Kommandatentagung am 08.- 09. August 1959 an der die Führungsspitzen der jeweiligen Wehren und Milizen teilnahmen sowie auch größere Abordnungen der Gruppen, wurde die „Fahnen- u. Standartenweihe“ durchgeführt.
Kommandantentagung 1959
Nach der kirchlichen Weihe im „Löwenbergschen Park“ erfolgte die Feierliche Fahnen- und Standartenübergabe auf dem Marktplatz durch das Landeskommando an die Bürgergarde, bei der Er den Schwur auf die Fahne abnahm. Die Patenwehr Waldkirch hatte die Fahne und die Reiterstandarte bis zum Marktplatz getragen. Nach der Tagung der Kommandanten fand dieses Ereignis seinen Abschluß in einem Festzug und anschliessendem kameradschaflichen Beisammensein.
Fahnen und Standartenweihe 1959
Auszug aus dem „Ortenauer Heimatblatt“ – Nr. 8 – 29. August 1959
Auch in Stuttgart auf dem „Canstatter Wasen“ marschierte und spielte man sich in die Herzen der Festzugsbesucher.
Cannstatter Wasen 1959
1960
Im Jahr 1960 nahm man an den Veranstaltungen teil, die auch die beiden Vorjahre geprägt hatten, wie Schwörtag, Fronleichnamsprozession usw. An Fronleichnam erhielt der Fahnenträger auch das gestiftete Brustschild überreicht, das auf silbernen Grund einen schwarzen Adler zeigt, dessen Wappen auf rotem Grund den Salm enthält. Zur Uniformergänzung kamen für den Fanfarenzug rote Epauletten hinzu.
Der Fähnrich erhält sein Brustschild
Der Höhepunkt dieses Jahres war – Die „600-Jahr Feier der Freien Reichstadt Gengengenbach“. Hierzu konnte als Ehrengast Ministerpräsident Kurt-Georg Kiesinger (späterer Bundeskanzler von 1966–69) begrüsst werden. Er trug sich auch in das „Goldene Buch der Stadt Gengenbach“ ein. Anlässlich dieses Festes erhielten „alle Gardisten“ für Ihre große Leistung eine „Ehrenmedaille“. Die Medaille wurde von der Bürgergarde gestiftet und verliehen.
Ministerpräsident Kissinger – anlässlich der 600 Jahrfeier in Gengenbach
Auch der Reiterzug nahm einen Auftritt zum ersten mal wahr, der bis heute in die Reiterzug-Traditon eingebunden ist.
Der „St. Wendelinusritt in Nussbach“ (Reiterprozession).
Wendelinusritt Nußbach 1960
1961
Neujahrsempfang beim Bischof
Das Jahr 1961 begann mit einem Neujahrsempfang beim Erzbischof und dem Oberbürgermeister in Freiburg.
Auch an der Fasent (Fasching), jedoch nicht in Uniform, sondern als kostümierte Fussgruppe unterstütze man das Brauchtum Gengenbachs.
Auf die weiteren wiederkehrenden Termine soll nicht weiter eingegangen werden, da Wiederholungen vermieden werden sollen. (Siehe Vorjahre)
Die ersten 3 Jahre drücken eigentlich die wichtigsten und interessantesten Geschehnisse und Begebenheiten über die „Wiedergründung in der Gegenwart“ aus – wie es begann und wie es sich in kurzer Zeit entwickelt hat.